Demo gegen Uploadfilter: mein Redebeitrag

5000 Menschen demonstrierten gestern in Berlin gegen Uploadfilter. Aufgerufen hatte das Bündnis Berlin gegen 13. Unten mein Redebeitrag auf der Abschlusskundgebung vor dem Europäischen Haus am Brandenburger Tor.
Hier die Videoaufzeichnung aus dem Live-Stream von Anett Selle, taz (ab 02:41:05).

Zur Demo: 5000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen Uploadfilter und rufen: „Wir sind keine Bots“!, Netzpolitik 02.03.2019
Die nächsten Demos, vor allem am 23.03.2019 in ganz Deutschland und Europa: Upload-Filter: Alle Demos auf einen Blick, Netzpolitik
Zum Hintergrund s. Europäische Urheberrechtsreform: „Eine Ablehnung des gesamten Pakets ist die richtige Lösung“.

Alle Fotos aus dem Video Berlin gegen 13 – So war es bei der Demo gegen Artikel 13 von Peter Withoutfield

Das Europäische Urheberrecht stammt aus dem Jahr 2001.

Seither hat sich viel getan.

Eine Reform ist dringend nötig.

Mit dem Bericht für das EU-Parlament von Julia Reda hat alles gut angefangen.

Dann kam der Entwurf von Günther Oettinger – eine seiner letzten Amtshandlungen als EU-Digitalkommisar.

Und damit die beiden umstrittensten Punkte der Reform: das Presse-Leistungsschutzrecht in Artikel 11, das das EU-Parlament ausdrücklich abgelehnt hatte, und Artikel 13: die Uploadfilter, die uns heute hier zusammengebracht haben.

Axel Voss, Berichterstatter des EP-Rechtsausschusses, hat Oettingers Werk vollendet.

Was bei den Verhandlungen zwischen Parlament und den Mitgliedsländern im Rat und letztlich zwischen Frankreich und Deutschland rausgekommen ist, ist eine Katastrophe.

Es heißt immer, die Interessen der Urheber sollen gestärkt werden.

Doch selbst das Recht der Urheber auf angemessene Vergütung – von dem man meinen sollte, dass es der Kern jedes Urheberrechtsgesetzes sein müsste, ist aber erst 2002 im deutschen Urheberrecht weltweit erstmals eingeführt worden – das soll zwar europaweit kommen, ist aber soweit verwässert, dass es Total-Buyout-Verträge weiterhin zulässt.

Ganz zu schweigen von erhofften Verbesserungen wie die Panoramafreiheit oder das Recht auf Remix. Die sind schon in der Vorrunde rausgeflogen, als Julia noch Berichterstatterin war.

Die in datengesteuerten Zeiten so wichtige Möglichkeit zum Text- und Data-Mining soll zwar eingeführt werden, aber stark beschränkt.

Kurz: Es gibt wenig Gutes im Richtlinienentwurf.

Dafür aber die beiden Hämmer: Artikel 11 und 13 – nach denen wir das Internet nicht wiedererkennen werden.

Artikel 13 kündigt den seit 20 Jahren im Europarecht bestehenden, aber keineswegs veralteten Konsens auf, dass Diensteanbietern keine aktiven Prüf- und Überwachungspflichten auferlegt werden dürfen.

Die neue Haftungspflicht von Plattformen für die Uploads ihrer Nutzer soll ebenfalls die Interessen der Urheber stärken.

Dazu seien gar keine Uploadfilter notwendig, sagen die Befürworter.

Die Plattformen sollten Lizenzverträge mit den Verwertungsgesellschaften abschließen.

Wie bei Radios: GEMA und GVL lienzenzieren ihnen das Weltrepertoire. Die Radios zahlen nach Zuhörerzahl eine Pauschale und dürfen dafür alles spielen.

Eine Plattform für Video-Uploads müsste also mit sämtlichen Verwertungsgesellschaften Lizenzverträge über sämtliche weltweiten Werke abschließen, die ihre Nutzer hochladen könnten.

Solche Pauschalverträge werden aber nie alle Werke umfassen.

Ein Filmstudio erlaubt seiner Verwertungsgesellschaft natürlich keine Pauschallizenzierung eines neuen Kinofilms.

Wird der auf eine Videoplattform hochgeladen, muss sie ihn spätestens auf Aufforderung hin entfernen – und sie muss dafür sorgen, dass er nicht wieder hochgeladen wird.

Spätestens dann braucht die Plattform einen Uploadfilter.

Für spezifische Werke, für die Rechteinhaber Identifizierungsinformation bereitgestellt haben, muss die Plattform deren „Nichtverfügbarkeit“ sicherstellen. Auch das ist ohne Uploadfilter nicht zu machen.

Zwar heißt es in Artikel 13 ausdrücklich, dass er keine „generelle Überwachungspflicht“ begründe.

Das hilft aber nichts, wenn gleichzeitig Auflagen gemacht werden, die ohne Uploadfilter gar nicht umzusetzen sind.

Außerdem beteuert Artikel 13, dass gesetzliche Nutzungsfreiheiten durch ihn nicht eingeschränkt werden sollen. Ausdrücklich sollen die Mitgliedsstaaten sicherstellen, dass Nutzer geschützte Werke als Zitat, für Kritik, Rezension, Karikatur und Parodie verwenden dürfen.

Auch das ist schön geschrieben, aber hilft nichts.

Von Youtubes Content-ID wissen wir, dass Algorithmen mit solchen Ausnahmen gar nicht klar kommen.

Mit der Generalisierung der Überwachungspflicht müssten wir uns also auf ein Flut von Copyright Strikes einstellen.

Wir bekämen genau die Probleme, die die schwarz-rote Bundesregierung im Koalitionsvertrag mit ihrem klaren Nein zu Uploadfiltern verhindern wollte.

Darunter die „Chilling Effects“: Statt sich mit wochen- oder monatelangen Einsprüchen, Schlichtungen, Gerichtsprozessen rumzuschlagen, werden’s viele einfach sein lassen.

Im vorauseilenden Gehorsam verzichten Menschen auf ihre Rechte.

Dann gibt es die kritische Auseinandersetzung mit Politik, die Rezension, die Karikatur und Parodie eben nicht.

Es leidet die Meinungsvielfalt.

Und wo sollen diese Filter herkommen?

Google hat sein Content-ID mit einer Datenbank von Millionen Werken seit über 10 Jahren und mit mehr als 100 Millionen Dollar aufgebaut.

Kleinere Plattformen werden da nicht hinterher-investieren können.

Sie werden also – wie heute schon mit Analytics, Fonts, Logins usw. – auf die Uploadfilter von Google und Facebook zurückgreifen müssen.

Und so werden die Monopole, die doch immer als Gefahr beschworen werden, weiter gestärkt.

Wenn sie sich den Google-Filter leisten könnten, müssten die Plattformen wahrscheinlich trotzdem ihr Personal erheblich aufstocken. Beschwerden gegen Löschungen müssen von Menschen bearbeitet werden, schreibt Artikel 13 vor. Oder sie müssten auch diese Dienstleistung von Google kaufen, das ja schließlich für die beanstandete Filterung verantwortlich war.

Daher wird die Zahl der Plattformen, die Nutzer-Uploads erlauben, also absehbar sinken. Neue könnten nur mit erheblichen Hürden starten.

Als Nutzer wird man gleich zu Google oder Facebook gehen, weil die das noch am ehesten geregelt kriegen.

Effekt auch hier: Es leidet die Meinungsvielfalt.

Das ist das Absurdeste an Artikel 13: Er soll die Macht der Plattformen regulieren und führt doch dazu, dass die Monopolmacht von Google als Nutzerplattform und als Inhaltekontrolleur weiter zunehmen würde.

Und wenn man schon eine Filter-Infrastruktur hat, ist es leicht und naheliegend, weitere Muster einzuspeisen: Terror-Propaganda, Kinderpornographie, Hasskriminalität … Pressezitate.

Und damit schließt sich die unheilvolle Brücke zu Artikel 11:

Wenn kleinste Schnipsel aus Presseartikeln – Überschrift, Link, ein kurzes Zitat – lizenzpflichtig werden – im Widerspruch zum jetzigen Zitatrecht – dann müssen Plattformen zahlen oder filtern.

Das betrifft z.B. WordPress für alle die Blogs, die es hostet.

Wer sein Blog auf einem eigenen Server betreibt, entkommt zwar u.U. der Filterpflicht der Plattformen nach Artikel 13, nicht aber dem Artikel 11, für den es keine Ausnahmen für nicht-kommerzielle, kleine oder junge Sites gibt.

Kurz: Der Entwurf der Urheberrechtsrichtlinie enthält fast nichts Gutes, dafür aber Regeln, die das Internet kaputt machen werden.

Er kann nur abgelehnt werden.

Noch ist es nicht zu spät.

Wir stehen hier vor der Vertretung des EU-Parlaments.

Dort – nicht in der Vertretung, sondern im Parlament – wird Ende März, spätestens Mitte April die finale Abstimmung stattfinden.

Lassen wir unsere gewählten Abgeordneten wissen, dass sie das Richtige tun sollen.

Z.B. über die Site Pledge2019.eu. Dort haben sich bereits 69 EU-Abgeordnete dazu bekannt, gegen Artikel 13 zu stimmen.

Lasst die anderen Abgeordneten wissen, dass sie entscheiden können, den Richtlinienentwurf anzunehmen – und damit das Internet kaputt zu machen – oder ihn abzulehnen, und damit zumindest keinen weiteren Schaden anzurichten.

Lasst sie wissen, dass auch wir entscheiden dürfen – über sie! – bei der EU-Wahl am 26. Mai. Und dass wir dabei berücksichtigen werden, wie sie über die Urheberrechtsreform abgestimmt haben.

Und noch ein letztes Wort dazu, dass wir Google-Bots seien:

Das ist einerseits eine Frechheit: Unterstellt es doch, dass wir nicht selbst denken können, sondern uns von Google vor den Karren spannen lassen.

Und es ist ein Hohn, denn es sind gerade die EU-Gesetzgeber, die mit Artikel 13 die Macht von Google stärken werden.

Alle Fotos aus dem Video Berlin gegen 13 – So war es bei der Demo gegen Artikel 13 von Peter Withoutfield

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