Das Wikimedia ABC des Freien Wissens hat den Buchstaben K ausgerechnet mit “Kollaboration” belegt. Das forderte einen Einspruch – da ich an der Veranstaltung am 08. Oktober 2015 nicht teilnehmen konnte, per Videobeitrag:
Was sind die Motivationen und Rahmenbedingungen für das gemeinsame Erstellen von freiem Wissen? Das war die eigentliche und wichtige Frage des Abends, zu der die Diskussionsteilnehmer sicher Kluges und Nützliches hätten beitragen können. Stattdessen verstieg sich die Diskussion in eine heillose Verwirrung über ein untaugliches Wort.
Friederike Habermann lehnte den Begriff “Kollaboration” ab. Für die in Frage stehende Form der Zusammenarbeit verwendet sie den Benklerschen Begriff “Allmende-basierte Peer-Produktion”. Für das K im ABC des Freien Wissens hätte sie „Kommunismus“ besser gefunden oder lieber “Commonism”. Bis zum Ende des Abends hatte sie sich mit sich selbst auf „Commoning“ geeinigt.
Mark Terkessidis, auf Promo-Tour für sein neues Buch mit dem Titel “Kollaboration”, das vermutlich Anlass für diesen Wikimedia-Salon war, begann, wie in seinem Buch damit, dass “in Kontinentaleuropa“ Kollaboration eine negative Bedeutung habe. Er möchte die positive Bedeutung in der englischen Sprache auch in der deutschen verwenden, ja nichts weniger als “Kollaboration” zum ethischen Leitprinzip der Gesellschaft erheben. Dabei möchte er aber auch die negative Bedeutung erhalten: Er sei mit vielen Dingen im Kapitalismus, in der Demokratie unzufrieden, aber müsse sich arrangieren. Nachdem er die negative Bedeutung ins Beliebige ausgedeht hat, präsentierte er auch auf der positiven Seite nichts als Banalitäten: keine Hierarchien, wohl Autoritäten und Regeln, Vielheit, Selbstorganisation, die vom Neoliberalismus geforderte Eigenverantwortlichtlichkeit und am Schluss eine Entscheidung, die nicht nur auf Konsens beruhe.
Christoph Kappes ging den Weg auf die positive Seite der Kollaboration mit, widersprach Terkessidis jedoch im Ziel. “Kollaboration” ende seiner Meinung nach nicht in einer Entscheidung, sondern sei ein permanenter Prozess des Weiterentwickelns von etwas Kulturellem, Sozialem usw. Er verwies darauf, dass “Open” – Freie Software, Wikis, Barcamps, Netzstrukturen statt Hierarchien – auch in Unternehmen adaptiert würde, womit er als Berater sein Geld verdient. Schließlich steuerte er das Steinmännchen als paradimgmatisch für Kollaboration bei, eine Markierung auf Bergwegen, die einem selbst und unbekannten Anderen zur Orientierung dient. Was genau sich vom Steinmännchen auf die komplexe Organisation der Wikipedia hochskalieren ließe oder auch nur zu lernen wäre, blieb unklar.
“Begriffe sind immer unbefriedigend.” Damit schubste Terkessidis schließlich auch die harte, aber für eine zielgerichtete Kommunikation unerläßliche Arbeit an den Begriffen ins Beliebige und bekannte sich als unzufrieden mit dem Begriff, der er selbst mit anschieben möchte.
Zurecht, wie dieser Abend zeigt. “Ich weiß jetzt gar nicht mehr, wovon wir reden.” Auf keinem Wikimedia-Salon war das und der Wunsch nach Klärung – einer Ein-Satz-Definition, wie am Anfang jedes Wikipedia-Artikels – so oft zu hören.
Die Konfusion setzt sich bis in den Nachbericht im Wikimedia-Blog fort. Da heißt es erst richtig: “In der Diskussion zeigte sich, dass der Begriff der Kollaboration an sich umstritten ist.” Zwei Sätze später ist das schon wieder vergessen und es wird behauptet, Kollaboration sei eines der Grundprinzipien der Wikimedia-Projekte.
Kann man für Einträge im ABC des Freien Wissens wegen fehlender Belege, Relevanz und sämtlicher andere Kritierien für Wikipedia-Artikel Löschanträge stellen? Die Anwort steht noch aus.